Liebe Veganer, manchmal schäme ich mich für euch.

Ich richte mich mit folgenden Worten an keine Individuen, sondern an das Kollektiv der Veganer. Ob meine Kritik auf dein Verhalten zutrifft oder nicht, egal ob du vegan isst oder nicht, darfst du gerne selbst abschätzen.

Also erstmal, ich finde es wirklich richtig geil, dass ihr euch Gedanken über ethische und gesundheitliche Grundsätze macht. Echt, rechne ich euch hoch an. Passiert auch Dank euch immer mehr.
Es gibt inzwischen viele Produkte, die nicht nur vegan, sondern auch gesundheitlich vertretbar sind.

Wirklich toll!

Als ich vor 15 Jahren mein erstes veganes halbes Jahr durchzog, da gab es kaum Angebot. Am meisten ging mir Schokolade ab, weswegen ich lasch geworden bin und irgendwann wieder normal vegetarisch gegessen habe.
Ich hatte keine große Motivation, wieder vegan zu essen, schließlich war vegetarisch doch auch ethisch vertretbar.

Danke, dass ihr mich da aufgeklärt habt, liebe Veganer!

Eigentlich ist Fleisch aus vertretbarer Quelle oft leichter zu bekommen, als Milch.
Die Milchprodukte und Eier die ich damals konsumiert habe, haben mir aufgrund der Haltung, aus der sie stammten, sicherlich geschadet. Sie waren weit weg von tierfreundlich in der Produktion.
Ich gebe zu, ich wollte bequem sein. Ich hatte genug andere Herausforderungen, und wollte mir darüber eigentlich keine Gedanken machen.

Ein bisschen neugierig war ich aber dann doch.

Deshalb habe ich dann immer mal wieder in Gruppen mitgelesen, und gelernt, dass die Milchindustrie in aktueller Form krass perverse Scheiße ist.
Ich hatte tatsächlich geglaubt, dass Kühe einmal schwanger werden und dann für immer Milch geben, wenn man sie weiter melkt. Und dass die Kälber natürlich bei ihnen bleiben können.

vegan
Quelle: Pixabay

Was war ich naiv!

Ich hatte wohl auch Bilder von Kühen auf der Weide im Kopf, obwohl ich als Kind die Kühe im Stall angekettet sah. Ich habe mir nie Gedanken darüber gemacht, wie die Kühe eigentlich geschwängert werden. Und in welcher Frequenz.

Ich dachte auch lange, dass Hühner eben Eier legen, und fertig.

Ich dachte, die Hähne werden dann eben in der Fleischindustrie „verwertet“.
Von Käse war ich so abhängig, dass ich verdrängen musste, dass es Lab aus Kälbermägen enthält. Bis ich mich mit der Milchindustrie beschäftigte und lernte, dass das kaum ins Gewicht fällt. Man braucht viel weniger Kälbermagenenzym für die produzierte Menge Milch, als an geschlachteten Kälbern sowieso anfällt.

Im Leben wäre ich nicht auf die Idee gekommen, dass männliche Küken geschreddert werden.

Und dass Kühe oft ihr Leben lang maximal zwei Quadratmeter Lebensraum haben, auf Spaltenböden, die nicht sehr huffreundlich sind. Ich hätte nicht gedacht, dass die Kälber auch bei Bio-Landwirtschaft oft direkt nach der Geburt, manchmal wenige Stunden, seltener wenige Wochen bis nach maximal drei Monaten von den Müttern getrennt werden.
Dass diese Tiere dann, wenn sie nicht direkt nach der Geburt getrennt wurden, nacheinander Schreien.

Und ich das alles mitfinanziere und unterstütze, indem ich es nachfrage.

Ich hatte keine Ahnung von Mulesing, wo Merinoschafen die Haut um den Hintern abgeschnitten wird, damit keine Parasiten nisten. Dass viele Schafe an diesem Eingriff sterben.
Ich dachte Wolle, ach, das sind doch nur abgeschnittene Haare. Was soll da für Leid dran kleben? Aber ich hatte ja keine Ahnung davon, dass die Schafe bei der Schur oft verletzt werden!

Also möchte ich euch erstmal ein Danke aussprechen.

Ein ganz ehrliches. Ihr habt meinen Horizont erweitert und mein Leben bereichert.
Aber.
Dafür wäre ich deutlich empfänglicher gewesen, wenn ihr mich nicht dafür beschimpft hättet, und mich der Ignoranz bezichtigt, dass diese Umstände es noch nicht in mein Bewusstsein geschafft hatten.

Ganz ehrlich, manchmal finde ich euer Auftreten so peinlich!

Nein, es ist nicht automatisch barbarisch, wenn man totes Tier essen will! Das sind keine herzlosen Monster, sondern Menschen wie ihr, mit anderen Erfahrungen und entsprechenden Ansichten! Eventuell könnt ihr sie bereichern, indem ihr ihnen freundlich wertfreie Informationen anbietet. Sie müssen nicht angenommen werden!

Eventuell können auch die Gesprächspartner euren Horizont erweitern!

Wenn ihr daran kein Interesse habt, dann verzichtet auf das Gespräch. Oder ergänzt nur Information, ohne persönlich zu werden.
Bitte geht doch einfach mal mit der Haltung in eine euch triggernde Diskussion, dass die Leute vielleicht einfach noch nicht wissen, was ihr wisst. Und dann könnt ihr erst mal interessiert fragen, warum sie die Dinge so sehen, wie sie die sehen.

Wenn dann gequirlte Scheiße kommt, widerlegt mit schlagkräftigen Argumenten.

Scharfe Kritik ist wirkungsvoll, wenn sie inhaltlich etwas zu bieten hat.
Selbst wenn euer*e Diskussionspartner*in sich absolut logikresistent zeigt, habt ihr einen Sieg nach Hause getragen. Denn erstens wird die Debatte möglicherweise nicht sofort, aber eventuell später fruchten. Außerdem gibt es immer die teils stillen Mitleser, vor denen ihr nun souverän aufgetreten seid.

Das macht Veganismus sexy!

Da denkt sich jetzt sicher jemand, also das war jetzt eigetnlich sehr interessant dargelegt, ich habe Lust, weiter darüber nachzudenken.
Dass viele von euch Fleisch eklig finden, und nicht verstehen, wie man zu den armen Lebewesen so gemein sein kann, das haben wir inzwischen alle begriffen. Muss nicht mehr breit getreten werden.
Erklärt bitte Details. Mit der Annahme, dass wir sie noch nie gehört haben. Dann haben wir womöglich sogar große Lust, euch nochmal was zu fragen. Mehr von euch zu lernen.

Und dann hätte ich noch eine Bitte – erkennt an, dass nicht jeder mal eben vegan essen kann, und sich damit körperlich gut fühlt.

Es gibt Leute, die sind Dank dem Verzehr von Leichenteilen gesund geworden. Das ist nicht diese veraltete Ernährungslehre oder irgendein unhaltbares Dogma, sondern finden wir unter anderem bei Weston Price und den instinktiven Rohköstlern.

Wer seid ihr eigentlich, andere pauschal schlecht zu machen, deren Erleben und Ansichten in Frage zu stellen, ohne auch nur in Erwägung zu ziehen, dass ihr nicht das ganze Bild seht?

So oft lese ich, dass man alles ersetzen kann, sich auch vegan mit allem versorgen. Auf dem Papier mag das stimmen, aber Papier ist geduldig. Und ich esse eben lieber Eier von Hühnern auf einem kleinen Hof, wo die Tiere zwischen den Hochbeeten rumlaufen, wenn mein Körper das verlangt, anstatt zu supplementieren. Ich habe aktuell nämlich nicht raus, wie ich mich über Jahre vegan versorgen kann, ohne alle paar Monate Heißhunger.

Es wäre viel wirkungsvoller, wenn der Konsum von tierischen Produkten einfach wieder in ein sinnvolles Maß gelenkt wird.

Wenn vor allem die nahrhaften Teile der Tiere verzehrt würden, und nicht nur das Fleisch.
Wenn jeder einfach weniger Fleisch oder andere tierische Produkte verzehrt, als sich aus Gewohnheit Eier in die Pfanne zu hauen, ist mehr gewonnen, als wenn ihr zwei Leute geschockt habt, die dann mit schlechtem Gewissen den halben Döner wegwerfen, und drei Monate eisern vegan essen.

Wir sollten uns darum bemühen, attraktive Alternativen zu vor allem Massentierhaltung zu präsentieren.

Das ist viel nachhaltiger.
Für meine persönliche Entwicklung war es auch wichtig, in mir Frieden zu schließen mit dem Fleisch essen. Ich habe aktiv nach Möglichkeiten gesucht, wie ich das ganz grundsätzlich gutheißen kann. Kann ich jetzt.

Das bereichert mein Leben.

Ich tue es trotzdem nicht.
Obwohl ich schon versucht habe, mich selbst zu überreden, weil es mir in gesundheitlichen Belangen helfen könnte.
Ich kann nicht. Alles in mir sträubt sich.
Bei anderen ist das anders. Denen geht es gut damit. Für die freue ich mich.
Mein Weg scheint trotzdem zumindest vegetarisch zu sein, wobei die veganen Phasen auf körperlicher Ebene wichtig und heilsam für mich waren. Als Phasen.

Massentierhaltung ist scheiße.

Aber anstatt den Krieg, der gegen Tiere geführt wird, nun auf Menschen umzulenken, finden wir doch lieber heraus, wie wir unsere Welt so harmonisch wie möglich gestalten. Das kann vegan sein. Muss es aber nicht.

Verändere die Welt – verändere dich selbst.

Wenn du als in dir ruhende*r Veganer*in sachlich und respektvoll deine Meinung kund tust, Informationen teilst und auf Umstände hinweist, bist du ein strahlendes Vorbild. Nichts, wirklich absolut garnichts, ist so effektiv. Denn selbst wenn die inhaltlichen Ansichten weiterhin voneinander abweichen, hast du nun, als Vertreter*in „der Veganer“, deine Gruppe nach außen souverän vertreten.
Das ist wertvoll! Du hast deiner Gruppe und ihren Anliegen damit einen Gefallen getan!

Diese Empfehlungen bezüglich Konfliktführung lassen sich übrigens auch auf alle anderen übertragen.

Das gilt für Omnivoren, Impf-Begeisterte wie Impf-Gegner, Rechte, Linke, ‚Aluhutträger‘, topinformiertstudierte Hochwissenschaftler, und alle, die sich sonst so bekriegen. Davon hat niemand was, außer denen, die eure Betäubungsmittel zur Verfügung stellen, und politische Entscheidungen treffen.
‚Teile und herrsche‘ ist ein interessantes Prinzip, durch das wir uns teils gegeneinander aufhetzen lassen, und mit Brot und Spielen bei Laune gehalten werden, während vor unseren Augen der größte Mist abgezogen wird.
Wenn ich in einem Omnivoren kein Monster, sondern einen Menschen mit anderen Ansichten sehe, muss ich nicht kämpfen.

Ansichten ändern sich.

Auch meine. Wer weiß, ob sich mein Weltbild nicht morgen auf den Kopf stellt, und ich übermorgen unbedingt Fleisch in meinem Körper brauche, jetzt sofort? Woher kann ich das mit absoluter Sicherheit wissen?

Mein Weltbild musste sich schon oft und auf teils dramatische Weise Realitäten beugen, sodass ich es nicht mehr wage, irgendetwas als unumstößlichen Fakt anzusehen.

Bleiben wir doch bitte Menschen. Sehen wir Menschen ineinander. Menschen, die manchmal abweichende Ansichten haben. Die manchmal sogar dumme, gefährliche Dinge tun. Und dann gehen wir hin und sagen „Hey, das finde ich nicht gut. Ich halte dies und jenes für viel intelligenter. Weil.“
Ist jemand akut gefährdet, sollten wir auch eingreifen.

Und dann ist unser Job erledigt. Mehr gibt es nicht zu tun.

Ja, Tiere sind durch Fleischverzehr akut lebensbedroht.
Langfristig tun wir Tieren (und uns selbst) einen größeren Gefallen, wenn wir kein Omnibashing betreiben, sondern Alternativen wie die jegane Lebensweise aufzeigen. Uns für bessere Bedingungen der gehaltenen Tiere einsetzen. Überzeugende Alternativ-Produkte unters Volk bringen.

Das sind Dinge, bei denen Omnis und Veganer eventuell zusammenarbeiten könnten.

Veränderung im großen Stil braucht nämlich ein paar Generationen. Darum sollten die vorhandenen Ressourcen sinnvoll eingesetzt werden.

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Hier schreibt Mira. Hauptberuflich Lebenskünstlerin mit Fokus auf Heilkunde, Mutterschaft und die Entfaltungsprojekte.

9 thoughts on “Liebe Veganer, manchmal schäme ich mich für euch.

  1. sehr gut geschrieben… habe selbst von beiden seiten schon so oft ein´s auf die fresse bekommen daß ich teilweise fassungslos und sehr traurig daneben stehe und nur noch beobachte… es gibt ein paar themen die mir nicht aus den kopf gehen… die natur erzeugt babytiere als biomasse – so hart das auch klingen mag – denn mehr als 99,9% aller Jungtiere werden innerhalb der ersten 24 Std. aufgefressen… brutale natur? woher kommt´s? ganz normal? oder weil wir so brutal sind? und die natur ist ein spiegelbild unserer perversion? …. ich weiß es nicht! und dann… fast jeder veganer war mal fleischesser… irgendwann hatte er die erkenntnis… zu seiner zeit… wir müßen leider den menschen die zeit lassen wann sie es verstehen… oder auch nicht… bekehren können wir nicht… glaubenskriege haben noch nie was positives gebracht… danke für den artikel :-*

    1. Danke dir für das Feedback, Jens ❤
      Ich bin nicht sicher, ob die Zahl der sterbenden Jungtiere tatsächlich so hoch ist, aber ich habe mich auch mit der Bewertung des Sterbens beschäftigt, da das Thema ja untrennbar zum Tierverzehr gehört.
      Ich habe mit meiner spirituellen Weltanschauung ein für mich stimmiges Bild gefunden. Denn Sterben per se ist eben nicht gut oder schlecht, wir bewerten es in der Dualität als solches. Und selbst dort gibt es zb den Gnadenstoß, Sterbehilfe,.. Es gibt hier kein schwarz/weiß.
      Aus nondualistischer Sicht ist es nur eine Erfahrung. Und wenn wir nicht mit unserem Körper verhaftet sind, dann ist es auch kein großes Thema, ihn zu verlassen.
      Bei indigenen Völkern ist es üblich, vor der Jagd die Tierseele um Erlaubnis zu bitten. Und nur wenn diese erteilt wird, gehen sie auf die Jagd. Die ‚Beute‘ betrachte ich somit als Geschenk.

  2. hast du dich schon mal gefragt, ob genau diese Art und Weise dich auf diesen Weg gebracht hat? und wenn ja, könnte man sich das eingestehen? ich bin kein Veganer, esse sogar Wild. Mir geht es nicht darum Veganer in Schutz zu nehmen. Ich finde es nur unsagbar tragisch für das Menschsein, das der Mensch sich nicht einfach nur Zugständnisse machen kann, ohne auch auszuteilen. Immer dieses „ABER“… Sicherlich kann man es auch nett die Dinge zugänglich machen, aber alles so wie es auf einen zukommt, hat es seine Berechtigung. Und mal ehrlich, bist du wirklich namentlcih persönlich angegriffen worde? oder hast du dich angegriffen gefühlt? Dabei hat es was bewegt in dir. und zwar durch genau dieser Art und Weise! versteh nicht warum alle Welt immer Wut (und diese Menschen haben Grund wütend zu sein wenn sie verzweifeln daran wie man mit Tieren heutzutage umgeht) und co (Leidenschaften die komischen Gefühle beim anderen hinterlassen) verdammen wollen. diese unguten Gefühle bringen ein weiter, wenn man es zulässt!

    1. Ich stimme zu, dass Wut und leidenschaftlicher Ausdruck ihren Platz brauchen. Das habe ich ganz sicher nicht verdammt. Nur wie weit kommt man mit diesem leidenschaftlichen Ausdruck, wenn man andere Menschen persönlich nieder macht?
      Natürlich gilt das für alle Fraktionen!
      Schockieren ist mal kurz okay, um Aufmerksamkeit zu erlangen.
      Das geht aber auch ohne jemanden perverser Leichenfresser zu nennen. Sondern indem ich einfach sage, ‚Das finde ich arg daneben, dass du mit deinem Konsumverhalten Massentierhaltung unterstützt.‘
      Damit ist nämlich das Verhalten kritisiert, und nicht gleich der ganze Mensch abgewertet. Das ist ein sehr wichtiger Unterschied.

  3. Ich verstehe total was du meinst. Ich bin selbst Veganerin und habe auch manchmal solche Fremdscham-Momente. Veganer sind leider sehr aggressiv in solchen Diskussionen – dabei ist ihr Ansatz ja eigentlich löblich. Auf der einen Seite verstehe ich es, wenn man so sehr mit dem Herzen an einem Thema hängt und einem bewusst ist, wie viel Tierleid an dem Steak auf dem Teller gegenüber hängt, auf der anderen Seite ist es natürlich sehr anmaßend und überheblich. Ich kenne aber auch andersherum Fleischesser, die immer wieder ihren Mund aufreißen, warum vegane Ernährung ja so unglaublich schwachsinnig sein soll, obwohl sie niemand nach ihrer Meinung gefragt hat. Meiner Meinung nach nehmen sich die Menschen da nichts. Es ist wie immer: Idioten gibt es überall. 😉 Am liebsten mag ich ja die Argumentation, dass Veganismus nicht gesund sein kann, weil man Vitamin B12 supplementieren muss. Ich finde das immer sehr witzig das von Menschen zu hören, die noch nie ihr Blut haben untersuchen lassen und gar nicht wissen, was ihnen alles fehlt..Vitamin D zum Beispiel? Eisen? Kalium? …alles Massenerscheinungen, auch ohne Veganismus…ernähren die sich alle unnatürlich? Vielleicht – aber dann mache ich es doch wenigstens tierleidfrei. 😉 Das ganze Problem liegt doch wie immer in der Gewohnheit und dem Drang Recht haben zu wollen. Diese beiden Eigenschaften haben die Menschen auf beiden Seiten gleich. Und solange die Diskussionsparteien das nicht einstellen, werden die Diskussionen auch so ablaufen, wie von die geschildert.

    Alles Liebe
    Manuela

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