Geschichten in der Weihnachtszeit

Weihnachtsmann, Christkind, Nikolaus, Krampus,…

So viele nette Gründe, Kindern ein paar Märchen aufzutischen. Denn Weihnachten hat ohne diese Fabelfiguren doch überhaupt keinen Zauber! Glänzende Plastik-Streifen die Engelshaar darstellen sollen werden über die Zweige der prächtigen Nordmanntanne gehängt, die man frisch vom Supermarkt-Parkplatz geholt hat. Zugegeben, ich habe mir früher einen richtig normalen Christbaum gewünscht und bekommen.

Aber davor hat meine Mama den Ficus Benjamin geschmückt – und recht hatte sie!

Es gibt sicher noch weihnachtlichere Substitute, aber wenn wir vom Christentum ausgehen ist es wahrscheinlicher, dass Jesus unter Palmen seinen Geburtstag gefeiert hat, als unter Tannen. Noch dazu soll er ja im Sommer geboren sein.. Jesus hat mit unserem Weihnachtsfest nämlich herzlich wenig zu tun. All diese Bräuche sind älter als das Christentum, und wurden nur angepasst, christianisiert, um das Volk empfänglicher zu machen. Oder aus Machtlosigkeit, weil die Masse sich nicht ihre überlieferten Riten verbieten ließ?

Traditionen halten sich nämlich nicht grundlos.

Lebkuchen zum Beispiel sind tolles Essen im Winter, weil sie wärmende Gewürze enthalten. Ein Fest mit vielen Lichtern in der Mitte des Winters erhellt das Gemüt. Singen entspannt, verstärkt oder schafft erst das Gefühl der Zusammengehörigkeit und ist wie Theater gut geeignet, um Wissen und Werte auf eine leicht zugängliche Art zu vermitteln.

Wer um diese Weisheiten in den alten Riten weiß, lässt sie sich nicht nehmen.

Warum also nicht das Weihnachtsfest neu entdecken, die Bräuche unserer ureigenen Kultur wiederbeleben oder eigene erfinden? Ist das nicht viel zauberhafter, als sich durch Massen zu drängen, aus Wegwerfbechern Billig-Punsch zu trinken während bei Toys’r’us (Übersetzung des Namens: Wir sind Spielzeug) noch heimlich die letzten Besorgungen des „Christkindes“ erledigt werden?20170112_145707

Beziehung, Beziehung, Beziehung.

Das ist es doch, was wir Menschen eigentlich wollen und brauchen. Wenn wir den Kindern aber nun Glaubens-Paläste bauen, in denen Engel und alte Männer die Geschenke bringen, die wir vom Weihnachtsbonus gekauft haben, bleibt sie auf der Strecke. Wir erzählen Märchen, müssen uns vor den Kindern mit Vorbereitungen, die angeblich jemand anderes erledigt verstecken, um irgendwann  zuzugeben, dass wir sie die ganzen Jahre an der Nase herumgeführt haben?

Von ihnen verlangen wir Ehrlichkeit.

Wir wollen keine Geschichten hören, die als Wahrheit verpackt sind, sondern die Wahrheit. Oder Geschichten, die uns als Geschichten erzählt werden. Denn wie sollen wir ihnen sonst vertrauen? Die Kinder aber sollen unsere Lügen akzeptieren, und uns weiterhin glauben. Das heißt, wir verlangen von ihnen, dass wir sie belügen dürfen und sie sich blind dem Risiko aussetzen, wieder herausfinden zu müssen, dass es doch nicht stimmt.

Das tut doch weh! Wie kann es hier gesundes Vertrauen geben?!

Besonders widersprüchlich wird die ganze Sache, wenn die Kinder mithilfe dieser Lügen erpresst werden, ‚brav‘ zu sein. Zu brav sein gehört nämlich meistens auch Autoritäten wie z.B. Eltern, nicht anzulügen. Da wird also gelogen, um dem Kind Ehrlichkeit beizubringen. Und blinden Gehorsam. Denn wenn Verbote nicht befolgt werden dann entweder, weil das Kind den Sinn nicht begreift, oder weil es sehr unzufrieden ist und sich nicht anders zu helfen weiß. (Gilt auch für Große.)

Wer mit einem bösen Krampus oder Geschenkverlust droht, um Verbote zu verstärken, muss also ziemlich verzweifelt sein.

Oder es wird einfach unreflektiert nachgeplappert, was von einer verzweifelten Gesellschaft etabliert wurde. Die Botschaft, die dabei transportiert wird ist jedenfalls, wenn du nicht tust was ich sage, ganz egal wie es dir mit meinen Vorgaben geht, wird dir jemand große Angst machen, dich schlagen, oder dir keine Geschenke geben. Du bist es nur wert beschenkt zu werden, wenn du folgsam und ‚brav‘ bist.

Und das zu Weihnachten, dem Fest der bedingungslosen Liebe.

Dabei könnten wir doch einfach auch Geschichten erzählen und mit unseren Kindern spielen. Da hat Engelshaar genauso Platz wie das Christkind, Punsch und der Nikolaus. Es steht uns immernoch frei, Kekse zu backen, Kerzen am Adventkranz anzuzünden, uns gegenseitig zu beschenken und Weihnachtslieder zu singen. Es gibt sogar noch einen Bonus, wir können ganz offen über Wünsche und Geschenke sprechen! Und unsere Kinder kommen nicht einmal auf die Idee, dass wir sie belügen.

Weil wir es nicht tun.

Weil wir sie respektieren, und ihnen zutrauen, in der Realität zu leben. Es bedarf keiner Fantasiewelten, die als echt präsentiert werden und die Welt künstlich bereichern. Die Welt ist schon voller Wunder! Und gerade Kinder erleben das oft noch jeden Tag, wenn sie noch nicht gebrochen wurden. Wir Erwachsenen nehmen sie als farblos und trist wahr, aber ein Kind kann noch die natürlichen Schönheiten sehen.

Glückliche Kinder brauchen keine Feste.

Sie brechen den Alltag, die Familie kommt zusammen, oft gibt es spezielle Veranstaltungen bei denen altes Wissen und Traditionen weitergegeben, neue Kontakte geknüpft und die verschiedenen Gemeinschaften gestärkt werden. Deswegen sind Feste toll. Aber für einen glücklichen Menschen ist jeder Tag ein Fest. Der Genuss von leckerem Essen. Wohlig warm im Bett kuscheln. Wind auf der Haut spüren. Duschen. Ein tolles Buch lesen. Mit Freunden Spaß haben. Gitarre spielen. Laufen und dabei den eigenen Körper spüren. Wow!

Wir haben verlernt, so zu genießen.

Darum projizieren wir unbewusst unsere Unzufriedenheit auf die Kinder. Besinnen wir uns doch auf den eigentlichen Hintergrund, unsere eigentliche Motivation. Warum wollen wir feiern? Warum wollen wir schenken? Warum wollen wir Weihnachtslieder singen und Kekse backen? Wollen wir das überhaupt?

Ich will beim Weihnachtsfest das Leben zelebrieren und familiäre Bande stärken.

Zwang sich zu beschenken gibt es bei uns keinen, aber es macht mir Freude, jemandem eine Freude machen zu können. Was mich oft wurmt ist, wenn ich kein Geschenk finde, das ich als sinnvoll empfinde. Ich möchte zu solchen Anlässen gerne meine Zuneigung in Form einer materiellen Aufmerksamkeit ausdrücken, habe aber wegen meiner ethischen Ansichten zunehmend Schwierigkeiten, etwas zu finden.

Mit den Kindern feiere ich deshalb gerne ohne Geschenke.

Beisammen sein, sich darüber freuen, gemeinsam eine besondere Mahlzeit essen, festliche Rituale und Dekoration sind uns Freude genug. Manchmal braucht es nicht einmal das. Und wenn wir etwas brauchen oder einen besonderen Wunsch haben, gönnen wir uns das auch ohne Erlaubnis des Kalenders. Es ist uns Fest genug, einfach Zeit miteinander zu verbringen und dabei Traditionen zu pflegen.

Ganz ohne lügen zu müssen.

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Hier schreibt Mira. Hauptberuflich Lebenskünstlerin mit Fokus auf Heilkunde, Mutterschaft und die Entfaltungsprojekte.

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