Bleib nüchtern – das Leben will gefühlt werden!

Okay okay, immer geht es nicht, nüchtern zu bleiben.

Bevor du dich umbringst, rauch bitte einen Joint und warte, bis der Impuls nachlässt. Dope dich mit Zucker, anstatt deine Kinder zu schlagen.

Aber mach es bewusst, und komm dann wieder zurück.

Nimm bewusst wahr, dass deine Droge nur temporäre Erleichterung bringt, und dir durchhalten hilft. Oder dich kurzfristig von deinen Ängsten und Blockaden befreit, sodass du endlich wieder einmal fühlst, wie es sein kann, nüchtern zu sein.

Durch diesen kurzen Urlaub ändert sich aber nicht viel.

Dein Alltag ist immer noch der gleiche, deine Mama findet noch immer nicht gut, dass du nicht tust was sie für richtig hält. Und manchmal möchtest du vielleicht auch jemandem eine in die Fresse hauen, obwohl dir dieser Mensch nichts getan hat.

Bei mir war das jedenfalls so.

Auch nach fünf Stunden fernsehen waren meine Hausaufgaben nicht erledigt, und der damit verbundene Druck nur milde gelindert. Was ich eigentlich gebraucht hätte wäre gewesen, meine Hausaufgaben als interessant zu empfinden, oder wenigstens als sinnvoll. Aber schon in der Grundschule durfte ich lernen wie wichtig es ist, die Klappe zu halten und Aufträge wie angeordnet durchzuführen. Ob ich das nun für bescheuert halte oder nicht.

Mit jeder widerwillig ausgeführten Aufgabe hat sich mehr Druck aufgebaut.

Ich hätte wirklich gern verstanden wozu diese blöden Zierleisten gut sein sollten, oder das Üben von Dingen, die ich im Schlaf konnte. Ich habe verzweifelt versucht, einen Sinn zu finden um es mir leichter zu machen. Manchmal mehr, manchmal weniger erfolgreich. Irgendwann kam dann der Punkt der Resignation, wo ich froh war, wenn ich an irgend einer Aufgabe Freude finden konnte. Den Rest habe ich abgeschrieben (dafür gingen aber auch Stunden drauf..), nicht gemacht oder mich mit riesigem Energieverlust dazu gezwungen.

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Je älter ich wurde, desto freier konnte ich mein Kompensationsverhalten gestalten.

So habe ich mich dann über Jahre jedes Wochenende übelst besoffen, habe mich pro Tag mehrere Stunden mit Serien berieseln lassen. Mein Freund aus Kindheitstagen, Schokolade, natürlich immer mit dabei.
An anderer Stelle habe ich schon davon erzählt, dass mein Mamawerden mich in die Welt der Nüchternheit getreten hat, und ich bin noch immer dankbar dafür.

Ich habe damals die Herausforderung angenommen und gelernt, meine Frustration, Erschöpfung, Wut und emotionalen wie körperlichen Schmerz besser, und vor allem nüchtern auszuhalten.

Konkret hieß das, drei Monate Angst vor jedem Mal Stillen wegen schrecklicher Schmerzen.

Nichts hat geholfen, da unsere Probleme in einer Saugverwirrung begründet lagen, und Abstillen war keine Option.

Etwa neun Monate nach der Geburt habe ich dann bemerkt, dass es inzwischen in Ordnung war, meinen Buben zu stillen. Kein Schmerz, es war nicht unangenehm, es war einfach in Ordnung. 

Eines meiner Geschenke an meinen Sohn.

Außerdem merkte ich, dass er viel besser schlief, wenn ich neben ihm liegen blieb.

Die Abende, die ich eigentlich für mich haben wollte, wurden meist mindestens zur Hälfte von Wieder-Einschlaf-Stillen beansprucht, weil er dauernd aufwachte und nur schwer wieder in den Schlaf fand.

Vom Loslassen der Brustwarze brauchen wir erst gar nicht anzufangen. An den Abenden an denen ich so kaputt war, dass ich beim Einschlaf-Ritual neben ihm wegpennte, gab es das kaum.

Die ganze Nacht über brauchte er meine Brust viel weniger, schlief sehr ruhig und wir genossen beide erholsamen Schlaf.

Irgendwann habe ich dann also aufgegeben, trotzig auf „meine“ Abende zu bestehen, und blieb bei ihm im Bett.

Lesen bei Kerzenschein ging ganz gut, und natürlich Atemübungen, Meditation, Denken oder ganz einfach schlafen.

Musik, Vorträge, Filme, mit Kopfhörern gehört, machten ihn unruhig. Internet habe ich nachts damals nicht neben ihm verwenden wollen, wegen der Wirkung der elektro-magnetischen Strahlung und des blauen Lichtes auf den Hormonhaushalt.

(Inzwischen erlaube ich mir das. Ich komme tagsüber kaum dazu, konzentriert sitzend zu arbeiten und finde keine gute Alternative.)

Es hat lange gedauert, bis mein Frust abklang.

Damals hat mein Mann noch Vollzeit in einer stressigen Agentur gearbeitet, und war auch sonst viel weg. Somit war ich die meiste Zeit allein mit unserem Großen, dessen Bedürfnisse mich gut gefordert und sehr oft auch überfordert hatten.

Ich war wütend, weil ich nun noch weniger Zeit hatte, in der ich mich frei bewegen und einfach mal machen konnte.

Trotzdem war offensichtlich, dass es mir und unserem Sohn richtig gut tat.

Wir waren ausgeschlafen.

Ich bekam allgemein mehr Schlaf, weil ich weniger Zeit für lustige Bilder und Facebook hatte, und fand mich in einem bis dahin unbekannt gesunden Tag-Nacht-Rhythmus.

Außerdem hatte ich endlich das perfekte Setting für Meditation, die ich ja eigentlich immer gern mal konsequent üben wollte, aber nie so recht die Willenskraft aufbringen konnte, wenn das Kind mal zehn Minuten schlief.

Weniger betäubenden Müll im Austausch für bewusstseinserweiternde Übungen, das konnte nur gut gehen.

Eines der Geschenke meines Sohnes an mich.

Aushalten war im Grunde alles, was notwendig war.

Und die Gewissheit, dass es irgendwann aufhört.

Na gut, ich gebe zu, ganz klar präsent habe ich das nicht immer, aber mit jedem Mal wird es mir wieder bewiesen.

Der Schmerz hört irgendwann auf.

Der Kampf wird langweilig.

Der Druck lässt nach.

Die Verzweiflung versickert.

Wenn es schlimm ist, dauert es vielleicht sehr lange, oder kommt noch einige Male hoch.

Aber irgendwann ist immer der Punkt erreicht, wo es aufhört. Immer.

Je geübter ich darin wurde, meine Emotionen durch mich durch fließen zu lassen ohne sie groß zu analysieren, desto leichter fiel es mir, eben genau das zu tun.

Es fließen lassen, loslassen, nichts tun.

Eigentlich Meditation.

Und damit wird dieses Ungetüm von Schmerz und Angst zu einem Freund, der mir hilft, leichter zu werden. Ansonsten unbeeinflusst, ganz nüchtern-

Denn jedes Mal lerne ich etwas über mich, mein Leben, alte Wunden.

Ich verstehe mich besser, und warum bestimmte Dinge starke Reaktionen in mir auslösen.

Danach habe ich mehr Verständnis und Mitgefühl für mich selbst, und kann im Allgemeinen gelassener bleiben.

Ich mache mir also ein Geschenk, wenn ich meinen Gefühlen Raum gebe.

Hätte ich mich abgelenkt, wie das bei Kindern und starken Emotionen gerne gemacht wird, wäre der Schmerz auch später noch da und müsste sich anders an die Oberfläche bahnen.

Etwa indem ich krank werde. Oder tagelang alle ankeife.

Bei Leuten die gerne Gras rauchen, habe ich Letzteres oft beobachten dürfen.

Eigentlich alles easy und entspannt, lass mal fließen.

Aber wehe, da ist ein Hauch Druck oder Disharmonie von Außen, dann wird sofort rumgemotzt. Oder einer durchgezogen und damit distanziert.

Richtig gemein wird es, wenn nur selten geraucht wird.

Dann sind oft nur Angst und Frust betäubt, es ist plötzlich leichter, effizient nachzudenken.

Die Selbsteinschätzung leidet darunter enorm, weil eben alles so klar und leicht wirkt. Und schwupp, ist alles vergessen.

Angst und Frust sind weiter abgespalten und es kann keine nennenswerte Entwicklung stattfinden.

Das merkt aber niemand, weil man mit Gras so tolle Gedankenpaläste erschaffen kann.

Da sind wunderschöne Ideen und Konzepte, die dann mal mehr, mal weniger gelebt werden. Beim Leben der eigenen Philosophie wird aber erst klar, ob sie zu etwas taugt. Sofern man sich nicht von den Widersprüchen ablenkt..

Wer wirklich nüchtern bleibt, wird damit jedoch Schwierigkeiten haben.

Wenn man sich nicht ablenkt, mit nichts betäubt, nichtmal mit Fernsehen oder Schokolade, wird plötzlich spürbar, was schon die ganze Zeit da war.

Widerspruch, Anspannung, Langeweile, Frust, Verwirrung und Verzweiflung.

Je länger wir wegschauen, desto enger verstricken wir uns in die Auswüchse verquerer Ideen. Und mit jeder Minute weiter steigt die Hemmschwelle, überhaupt nüchtern anzuschauen, ob das eigene Leben sinnvoll gestaltet ist.

Irgendwann sind da ein begonnenes Studium, ein per Kredit finanziertes Reihenhaus, Kinder die sich an Institutionen und die dort vermittelten Werte gewöhnen, Jobs, die zwar nicht erfüllen aber die Rechnungen zahlen,..

Wer will solche „Sicherheiten“ schon aufgeben?

Meist braucht es ein Schock-Erlebnis um zu verstehen, wie vergänglich all das ist.

Erst dann lassen wir uns wirklich in den Moment zurück holen, und sind mit unserem Leben so wie es ist, ungefiltert konfrontiert. Nüchtern.

Keine Meditation kann das schaffen, sie mag viel eher ebenfalls zu Ablenkung und Betäubung verkommen.

Nur unsere Emotionen und schon garnicht unser Körper lassen sich von den mächtigen Gedanken austricksen.

Die Emotionen können weggeschoben, der Körper betäubt werden, auch unbewusst. Auch mit spiritueller Praxis.

Aber sie sind selbst nach langer Zeit der Betäubung unser Tor zur Wahrheit, wenn wir es wissen wollen.

Stets stehen sie bereit, um uns zu zeigen, wie es wirklich um uns steht.

Ich lade dich ein, es zu versuchen. Wie betäubst du dich? Womit lenkst du dich ab?
Wenn du es weißt, hör auf damit, bleib nüchtern und atme stattdessen. Alles, was dann hochkommt, hast du vorher unterdrückt und unnötig mit dir herumgetragen.

Reist du nicht lieber mit leichtem Gepäck?

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Hier schreibt Mira. Hauptberuflich Lebenskünstlerin mit Fokus auf Heilkunde, Mutterschaft und die Entfaltungsprojekte.

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